Grundlagen der Elektrotechnik

Inhaltsverzeichnis

 

4 Elektrische Grundgrößen

4.3 Elektrischer Strom, Ladungsmenge und Stromdichte

Sie werden nun die elektrischen Grundgrößen kennen lernen. Bedingt durch die in der Elektrotechnik gebräuchliche technische Stromrichtung (angenommene Bewegung positiver Ladungen), werden in den folgenden Illustrationen positive Ladungsträger dargestellt.

Im Kapitel 3 haben Sie erfahren, dass die Elementarladung den Wert e = 1,602·10–19 As besitzt und dass für die aus vielen Elementarladungen zusammengesetzte elektrische Ladung oder Ladungsmenge das Formelzeichen „Q“ verwendet wird.

Die Höhe eines fließenden Stromes ergibt sich allgemein aus der variablen Ladungsmenge ΔQ, die ein am Leiter angeschlossenes Gerät in einem bestimmten Zeitraum Δt benötigt. Der griechische Buchstabe Delta (Δ) steht für die Differenz. ΔQ = Q– Q1 ist die Änderung der Ladungsmenge, die sich in einer Zeitspanne Δt = t– t1 vollzieht. Dabei wird die Menge der freien Ladungsträger, die als Strom in Bewegung gesetzt und zum Gerät transportiert werden kann, durch die im Material vorhandene Zahl der Atome eingeschränkt. Mit größerem Querschnitt steigt die Zahl der Atome und somit die Zahl der Ladungsträger. Bei kleinem Querschnitt sinkt sie. In einer 1 µm starken Leiterscheibe (Bild 5) gibt es somit eine konstante Durchschnittsladung q.

Bewegt sich die in dieser Leiterscheibe enthaltende Ladung q vom Punkt A zum Punkt B, wird ein Mehrfaches dieser Ladung transportiert, weil sich alle im Leiter vorhandenen Ladungsträger gleichzeitig in Bewegung setzen (blasse positive Ladungsträger in Bild 5). Die dabei innerhalb der Strecke Δs beförderte Ladungsmenge ΔQ ist ein Maß für die Größe des Stromes.

Definition elektrischer Strom
Bild 5: Die Höhe des Stromes ist abhängig von der bewegten Ladungsmenge pro Zeiteinheit

Fließt ein großer Strom, so muss im gleichen Zeitraum eine größere Ladungsmenge ΔQ durch den Leiter transportiert werden. Es wird dann eine größere Strecke Δs zurückgelegt.

Der Ladungsdurchfluss je Zeiteinheit heißt „elektrische Stromstärke“.
Die Einheit der Stromstärke ist das „Ampere“ (A).

Elektrische Stromstärke (Variable Ladungsmenge) {4.3.1}

Es fließt ein Strom von 1 Ampere, wenn innerhalb der Zeit Δt = 1 s eine Ladung von
ΔQ = 1 As = 1 C transportiert wird.

Die Einheit des Stromes ergibt sich, in dem die Einheit der Ladungsmenge (As) durch die Einheit der Zeit (s) geteilt wird. Die Einheit für die Zeit lässt sich herauskürzen.

„[] =“ bedeutet: „Einheit von“

Kann davon ausgegangen werden, dass die Ladungen pro Zeiteinheit zu jedem Zeitpunkt gleich sind (gleichbleibende Stromstärke = Gleichstrom), so darf die Gleichung …

Elektrische Stromstärke (Konstante Ladungsmenge) {4.3.2}

verwendet werden.

 

Durch Umstellen der Gleichung ergibt sich die elektrische Ladungsmenge Q mit der Einheit Amperesekunde (As) oder Coulomb (C).

Elektrische Ladungsmenge {4.3.3}

Mit der Gleichung für die elektrische Ladungsmenge können Sie die Zahl der Elementarladungen berechnen, die bei einem Strom von 1 A innerhalb einer Sekunde durch einen Leiter fließen. Für diesen Fall beträgt die Ladungsmenge …

Die Ladung Q setzt sich aus einer bestimmten Zahl n von Elementarladungen e zusammen …

Dieser Ausdruck wird für Q auf der linken Seite der obigen Gleichung eingesetzt …

Rechenoperation: „geteilt durch e

Die grün dargestellten Einheiten kürzen sich heraus, und es ergibt sich …

Das sind 6,24 Trillionen Elementarladungen!

 

Fließt durch einen Leiter ein Strom von 1 Ampere, bewegen sich 6,24 Trillionen Elektronen in einer Sekunde durch den Leiter.

 

4.3.1 Driftgeschwindigkeit der Elektronen

Nach der Betätigung eines Schalters für einen Lichtstromkreis, beobachten Sie, dass ein Leuchtmittel im Stromkreis sofort Licht emittiert. Die Ladungsträger scheinen sich mit sehr hoher Geschwindigkeit durch den Stromkreis zu bewegen.

Diese „Stromwirkung“ beruht auf der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Stromes, der sich als Bewegungsimpuls über die Ladungsträgerkette nahezu mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Vergleichbar ist dies mit einem Kunststoffrohr, welches dicht an dich mit Kugeln gefüllt ist. Wird an einem Ende eine weitere Kugel in das Rohr eingeschoben, hat das zur Folge, das sich der Bewegungsimpuls unmittelbar über die Kugeln im Rohr fortpflanzt und am anderen Ende des Rohres die letzte Kugel aus dem Rohr herausfällt (Bild 6).

Stromwirkung
Bild 6: Die schnelle Fortpflanzung des Stromes über den Bewegungsimpuls

Die reale Geschwindigkeit der Elektronen ist sehr gering und wie bereits oben erwähnt, vom Querschnitt (Kreis- oder Rechteckfläche) des Leiters abhängig. Um dies zu verdeutlichen, soll ausgerechnet werden, mit welchen mittleren Driftgeschwindigkeiten die Elektronen bei einem konstanten Strom von I = 1 A zwei Leiter mit unterschiedlichen Querschnitten durchströmen.

Bei einem Strom von I = 1 A wird die Gesamtladung von ΔQ = 1 As innerhalb einer Sekunde transportiert. Es müssen sich somit n = 6,24·1018 Ladungsträger in einer Sekunde durch den Leiter bewegen. Mit welcher Geschwindigkeit dies geschieht, wird durch die Zahl der freien Elektronen im Leitermaterial beeinflusst. Es soll vorausgesetzt werden, dass sich in einem Kubikmillimeter des Kupfermaterials jeweils 1021 Atome (N = 1021/mm3) befinden. Wenn jedes Kupfer-Atom ein Valenzelektron besitzt, gibt es die gleiche Zahl von frei beweglichen Elektronen. Stellen Sie sich also einen Würfel mit einer Kantenlänge von einem Millimeter vor, in dem sich eine Trilliarde freie Elektronen befinden.

Die Ader einer üblichen Installationsleitung aus Kupfer hat einen Querschnitt von A = 1,5 mm2. Ein dünner Kupferlackdraht, der z. B. für Motorwicklungen verwendet wird, hat einem Durchmesser von 0,1 mm. Daraus ergibt sich die Kreisfläche (Querschnitt) des Kupferlackdrahtes von A = 7,854·10–3 mm2.

Die Geschwindigkeit der Elektronen lässt sich nun über die bewegte Ladungsmenge ΔQ bestimmen. Die Größe der Ladungsmenge ΔQ ist von der Strecke Δs abhängig, die die in Bild 5 dargestellte konstante Durchschnittsladung q in einer bestimmten Zeit zurücklegt.

{4.3.4}

Zur Berechnung der in einer 1 µm dünnen Leiterscheibe vorhandenen durchschnittlichen Ladung q, muss der Querschnitt A des Kupferleiters mit der Zahl der Atome N pro Kubikmillimeter sowie der Elementarladung e multipliziert werden. Ferner muss die Einheit des Querschnittes A in µm2 und die der Atomzahl N in µm3 umgerechnet werden.

Durchnittliche Ladung q in einer 1 µm dünnen Leiterscheibe {4.3.5}

Der rechte Teil der Gleichung wird an Stelle von q in {4.3.4} eingesetzt:

Der Strom ist somit:

Die Driftgeschwindigkeit v der Elektronen ergibt sich aus der Strecke Δs, die die Ladung q zurücklegt und der dazu notwendigen Zeit Δt. Mit v = Δst erhalten wir:

Zum Schluss wird die Gleichung nach der Geschwindigkeit v umgestellt.

Mittlere Driftgeschwindigkeit der Elektronen {4.3.6}

I → elektrischer Strom in A

A → Leiterquerschnitt in mm²

N → Zahl der freien Material-Elektronen pro Kubikmillimeter (1/mm³)

e → Elementarladung e = 1,602·10–19 As

Durch Einsetzen der bekannten Werte ergeben sich die Driftgeschwindigkeiten …

Mittlere Driftgeschwindigkeit der Elektronen in der Ader der Installationsleitung:

 

Mittlere Driftgeschwindigkeit der Elektronen im Kupferlackdraht:

Die Elektronen bewegen sich mit sehr kleiner Geschwindigkeit durch die Leiter. Im Vergleich zur Ader der Installationsleitung ist die Driftgeschwindigkeit der Elektronen in dem dünnen Lackdraht fast 200 Mal größer. Die „hohe“ Geschwindigkeit führt während des Transports aufgrund der „Enge“ im Leiter zu einer unzulässigen Erwärmung. Die maximale Strombelastbarkeit des Lackdrahtes beträgt laut Hersteller lediglich 0,03 A! Ein Strom von 1 A führt somit zu einer starken Überlastung des Drahtes und zerstört die Lackisolierung. Bei einem Einsatz in einem Motor würden Kurzschlüsse zwischen den Wicklungslagen entstehen, die den Aufbau eines Magnetfeldes verhindern. Der Motor wird unbrauchbar.

Je geringer der Querschnitt eines Leiters, desto größer ist die Driftgeschwindigkeit, mit der sich die Elektronen im Leiter bewegen.

Fließt ein unzulässig hoher Strom durch einen Leiter mit kleinem Querschnitt, nimmt die Wärmeentwicklung im Leiter zu. Er wird überlastet.

 

4.3.2 Stromdichte

Die Überlastung elektrischer Leitungen muss grundsätzlich vermieden werden, weil es im Extremfall zu Kabelbränden kommen kann. Die wichtigste Größe für eine Überlastung ist das Verhältnis des durch einen Leiter fließenden Stromes zu dessen Querschnitt. Man bezeichnet dieses Verhältnis als Stromdichte (Bild 7).

Stromdichte
Bild 7: Stromdichte bei unterschiedlichen Leiterquerschnitten

Das Verhältnis aus Strom und Leiterquerschnitt wird „Stromdichte“ genannt.

Stromdichte {4.3.7}

Ampere pro Quadratmillimeter

Die Belastbarkeit einer Leitung ist zusätzlich davon abhängig, wie die entstehende Wärme an die Umgebung abgegeben werden kann und ob diese noch im direkten Kontakt mit anderen (warmen) Leitungen verlegt wurde. So darf der auf einer Kabeltrommel angegebene Maximalstrom nur bei abgerollter Leitung fließen. Im aufgerollten Zustand behindern die vielen Lagen der Leitung die Wärmeabgabe und führen gleichzeitig zu einer verstärkten Erwärmung der Gesamtleitung. Eine Überhitzung und ein Brand der Kabeltrommel können die Folge sein.

Bei der Bestimmung der maximalen Strombelastung einer Leitung muss daher immer die Umgebungstemperatur und die Häufung (Gesamtzahl der parallelen oder im Verbund verlegten Leitungen) berücksichtigt werden.

Die maximale Strombelastbarkeit einer Leitung ist von der maximal zulässigen Stromdichte, der Umgebungstemperatur und der Häufung abhängig.

 

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